Die Fasern des Bindegewebes, auch Faszien genannt sind überall in uns. Aktuell erkennen Forscher, welch ungeahnte Bedeutung es für Gesundheit und Wohlbefinden hat.
Die Zellen des Bindegewebes sind wahre Tausendsassa: ob in Knochen, Knorpel, Organen oder Sehnen – je nach Aufgabe produzieren sie Unmengen unterschiedlichster Stoffe, vor allem Kollagenfasern. Diese können sich derart vernetzen, dass sie die Zugfestigkeit von Stahl besitzen. Andere, die elastischen Fasern, dehnen sich hingegen um mehr als 100 % ihrer Länge. So sorgen sie etwa für die Flexibilität der Haut. Gleichzeitig bilden diese Zellen auch die sogenannte Matrix, in deren zähflüssiger Grundsubstanz Immun-, Fett- und Nervenzellen schwimmen.
Bindegewebe findet sich überall. Es durchzieht den Körper feinmaschig von Kopf bis Fuß, von außen nach innen. Es umhüllt und durchdringt alle Organe, Darm, Herz, Augen, Leber, alle Adern und sogar das Gehirn. Entfernt man vom Körper alles bis auf das Bindegewebe, bleibt die Form des Menschen völlig erhalten, jedes Organ ist noch da – lederartig zwar – aber Größe, ja sogar das Geschlecht bleiben gut erkennbar.
Mittlerweile gelten die Faszien als Ursache unerklärbarer Krankheiten und Schmerzen – aber auch als wundersamer Quell der Heilung.
Bindegewebe existiert in vielerlei Form und Beschaffenheit:
Lockeres Bindegewebe ist eine Art Kleb- und Schmierstoff zwischen einzelnen Lagen, Platten, Muskeln und Organen. Es ermöglicht dem bewegten Körper seine Harmonie des inneren Gleitens.
Verlieren die Faszien ihre Elastizität und Gleitfähigkeit, etwa durch Verletzungen, Bewegungsmangel oder Überlastung, können Schmerzsyndrome und selbst schwere Krankheiten folgen.
Dies erklärt sich dadurch, dass die Faszien jede einzelne Muskelzelle umhüllen und eine Art Wabennetz bilden. Über 80% der freien Nervenenden befinden sich in der Faszie, die die Muskeln des Bewegungsapparates gegen die Unterhaut abgrenzt. Das Netzwerk strotzt vor Bewegungssensoren und Schmerzrezeptoren. Damit dient es dem Körpersinn für Wahrnehmung von Bewegung und Position im Raum und befähigt Mensch und Tier, die Körpersymphonie der Gliedmaßen virtuos aufzuführen, ohne sich jede einzelne Bewegung bewusst machen zu müssen.
Es ist mittlerweile ziemlich eindeutig, dass bei den meisten Rückenkranken das reibungslose Gleiten der drei Lagen der Lendenfaszie gestört ist. Sie ist dicht besiedelt mit hochempfindlichen Schmerzrezeptoren und scheinbar Grund für die unerklärbaren 80% der Kreuzleiden.
Wie können diese Rückenleiden behandelt werden?
Einem neuen Modell der Rückenschmerzentwicklung nach sitzt die Ursache nicht nur in den Muskeln und Gelenken. Offensichtlich schein etwas mit dem Schmiermittel aus lockerem Bindegewebe zwischen den 3 Lagen der Lendenfaszie geschehen zu sein. Dadurch löst jedes Bücken und auch Recken Schmerzsignale in den Faszien aus.
Ziel einer jeden Behandlung soll es sein, das seidige Gleiten im Körper wiederherzustellen. Stellen Sie sich vor, Sie reiben glatte Seidentücher aneinander und dann grobes Leinen – dann wissen Sie, was mit seidigem Gleiten gemeint ist.
In Forscherkreisen wird immer klarer, wie wichtig der Zustand des lange missachteten Netzwerks für Wohlbefinden und Gesundheit ist. So leistungsfähig unser inneres Netz ist, so empfindsam ist es auch. Verletzt wird es durch Überforderung (etwa zuviel Sport) aber auch Unterforderung, wozu Bewegungsarmut, lange Bettruhe, eingegipste Glieder zählen. Aber auch Stress, Bestrahlung oder falsche Ernährung wirken wie Gift auf die Faszien.
Wenn die Maschen des inneren Netzes locker und zart wie Spinnenfäden verwoben sind, dann gleiten die feuchten Schichten der Muskeln mühelos: der Körper ist gesund.
Ist das Bindegewebe dagegen verhärtet, verfilzt und nicht mehr gleitfähig wird Schmerz ausgelöst. Dagegen helfen einfache mechanische Reize.
Mechanische Reize zur Fasziengesundung:
Neuesten Erkenntnissen nach wirken mechanische Reize am besten gegen die Schmerz auslösenden Verfilzungen des Bindegewebes.
Das Prinzip: Dehnung
Die Dehnung zwingt die Kollagenfasern des Bindegewebes dazu, sich neu zu formieren und löst biochemische Kaskaden aus. Durch dieses Stretching werden Gleitfähigkeit und Wasserfluss in der Matrix verbessert. Die Schmerzen lassen nach.
Herrscher über die Matrix, so hat die Arbeitsgruppen von Robert Schleip, Uni Ulm festgestellt, sind hochaktive Zellen: die Fibroblasten. Wie produzieren unermüdlich Eiweißketten, formgebende Kollagen- und elastische Elastinfasern. Gleichzeitig bauen sie alte, verbrauchte Strukturen wieder ab.
Diese Bindegewebszellen spielen zwei Hauptrollen im neuen Modell des Schmerzes: sie patrouillieren in der Matrix und gleichzeitig modellieren sie mit ihrer Ketten-Produktion die Gewebespannung – von flüssig bis fest, von schmiegsam bis steif.
Durch Entzündungen oder chronischer Überforderung eines Körperteils kann es zu einer krankhaften Vermehrung der Kollagenfasern kommen. Die Ketten verknoten sich und formen feste Faseranhäufungen – die Faszien „verfilzen“ wie ein zu heiß gewaschener Pullover. Dadurch bilden sich Mikronarben und fördern eine ungesunde Gewebespannung mit Schmerzfolge.
Was hilft gegen den inneren Filz?
Was lässt die „Seide“ unseres Bindegewebes wieder sanft gleiten:
Robert Schleips Antwort: „Wer sich nicht bewegt – verklebt“.
Elastisch federnde Bewegungen wie z.B. beim Hüpfen oder Tanzen sind gut geeignet, die Faszienfitness zu fördern, sofern dem Körper Zeit gegeben wird, sich daran anzupassen.
Barfuß auf unterschiedlichem Terrain spazieren
Über Baumstämme balancieren und über Felsen klettern.
Regelmäßige Bewegung stimuliert das Bindegewebe, sie hat „anti-fibrotische Wirkung“ – innerhalb von nur 72 Stunden starten die Fibroblasten – die Bindegewebszellen – die Produktion von frischem Kollagen, aber auch von molekularen Werkzeugen, um verfilzte Ketten zu lösen.
Klassische Dehnübungen und leichte Yoga-Übungen = Faszientraining
Weitere Trainingsmöglichkeiten biete ich in meinen Faszientrainingskursen an. Folgende Haupttechniken kommen hier zum Einsatz:
- Dehnen/Verfeinern
- Federn
- Tonisieren
- Beleben (Faszienrollen)